Eurocamp 2018

 

Am Mittwoch, den 25.07. war es endlich soweit: Früh um 05:00 Uhr trafen wir uns auf dem Pfadfinderplatz in Summt, um mit zwei Autos die Reise nach England anzutreten. Dabei waren sechs Wölflinge, fünf Pfadfinder und drei Erwachsene. Eine komplette Pfadfinderfamilie war bereits zwei Tage zuvor ebenfalls per PKW aufgebrochen und unsere

„Großen“, die Rover/Ranger und Pfadfinder/-innen sowie 5 Jungpfadfinder würden am Folgetag mit dem Flugzeug anreisen. Unser kleiner Stamm mit 54 Mitgliedern konnte stolz auf eine Teilnehmerzahl von 34 Personen sein, zur Anmietung eines Reisebusses reichte dies jedoch trotzdem nicht.

Leise holten wir letzte Utensilien aus unserem Pfadfinderheim, um nicht die Nachbarn zu wecken. Den Großteil an Rucksäcken und Zelten hatten wir bereits am Vortag in die zwei Anhänger verstaut. So ging es dann um 05:30 Uhr los. Die ganze Strecke entlang der A2 und anschließend über die Niederlande, Belgien und Frankreich war, was Pausen und Fahrzeit betrifft, durchgeplant. Zum Ende hin hatten wir zwei Stunden Puffer eingeplant. So erreichten wir die Fähre in Dunkerque ohne Stress und konnten die Überfahrt nach Dover bei Sonnenuntergang genießen.

Von Dover ging es nochmal knapp drei Stunden bis zum Newbury Showground, einem riesigen ebenen Gelände, das normalerweise einmal jährlich für eine landwirtschaftliche Ausstellung genutzt wird. Als wir nach Mitternacht dort eintrafen, war weit und breit kein Licht mehr zu sehen. Eine Telefonnummer hatten wir sinnigerweise nicht dabei und so kletterten wir über das Eingangstor und packten unsere Schlafsäcke aus. In England hatte es wie bei uns daheim seit Wochen nicht geregnet und auch diese warme Nacht machte keinen Zeltaufbau erforderlich. Am nächsten Morgen begrüßte uns Jay, der Leiter des Eurocamps, sehr herzlich und führte uns zu unserem regulären Zeltplatz.

Wir hatten bewusst ein paar Tage vorher und nachher an das offizielle Camp drangehangen, um dem allgemeinen An- und Abreisetrubel zu entgehen. Dies ermöglichte uns, noch ein paar zusätzliche Ausflüge zu machen und die vielen Eindrücke während des Eurocamps zu verarbeiten. Während die Pfadfinder begannen, Kohte um Kohte aufzubauen, fuhren Leo und ich zum Flughafen Heathrow und nahmen dort die anderen in Empfang. Auf Anraten von Jay hatten wir die Anhänger im Camp gelassen und so wurde es für einige Mitfahrer auf der Rückfahrt etwas eng mit den Rucksäcken auf den Knien.

Donnerstagnachmittag bauten wir in Ruhe auf, was zu einem Lagerplatz dazu gehört: Einfriedung, Lagertor und die Jurte als unser Versammlungszelt. Am Freitag erkundeten wir erstmals das gesamte Zeltplatzgelände. Nach und nach trafen weitere Pfadfindergruppen ein, mit denen sich die Kinder und Jugendlichen schnell anfreundeten. Unsere direkten Nachbarn kamen aus Deutschland (Lüneburg), England, Zypern und Italien (Sardinien). Unmittelbar dahinter waren Gruppen aus Spanien (Barcelona), Wales, Österreich (Wien), Rumänien und Dänemark. Wir alle bildeten das grüne Subcamp. Außerdem gab es noch das weiße, das rote und das blaue Subcamp. Insgesamt waren knapp mehr als 2.000 Teilnehmer nach Newbury gekommen. Obwohl es sich um ein Eurocamp handelte, waren auch Pfadfinder aus Chile, Mexiko, den USA und Canada gekommen.

Am Samstagmittag begann die Unterteilung für die Mahlzeiten nach Farbe des Subcamps. Das Sich-Anstellen wurde zeitintensiver und nach britischem Vorbild perfektioniert: Draußen die Reihen, um in die Dining Hall zu gelangen, drinnen vor den verschiedenen Essen, die zur Auswahl standen. Nachtisch, Kaffee: Extraschlangen. So mussten für eine Mahlzeit schon mal 1,5 Stunden eingeplant werden. Mit etwas Abstand lässt sich darüber Schmunzeln. Abends um 20:30 Uhr war es endlich soweit: Alle Teilnehmer versammelten sich bei den Fahnenmasten und wohnten der offiziellen Eröffnungszeremonie bei. Leider verhinderte die anhaltende Trockenheit ein allzu großes Freudenfeuer, wie es einer derartigen Veranstaltung angemessen wäre. Und so wurden die Holzkohlereste des Eurocamps von 2014 etwas abseits an einer Stelle mit feuerfestem Untergrund entzündet. Am Lagerfeuer wurden Spiele und Gesänge aufgeführt, bei denen (pfadfindertypisch) das Publikum einbezogen wurde.

Am Sonntagvormittag gab es sog. Kennenlernspiele und nachmittags begannen Planung und Aufbau eines Lagertors für das jeweilige Subcamp. Am Montag war der erste Tag der Sub Camp Activities. Diese reichten von Bogenschießen, Beilwerfen, Kaninchen am offenen Feuer zubereiten (zum Glück hatte es am Vortag endlich einmal geregnet) über Baseball und anderen Spielen bis zu Spaßwettbewerben (Kettcarslalom). Allerdings wurde vorausgesetzt, dass die Jugendlichen wissen, wo sie hin sollten und wenn dort bereits eine Gruppe wartete, sich anstellten. Leider waren manche Stationen nicht besetzt und so gruppierten sich riesige Mengen vor den besetzten Stationen und es wirkte zu Beginn alles etwas chaotisch. Aber am Nachmittag funktionierte vieles schon besser und am Mittwoch, den zweiten Activity-Tag, wussten alle, wo und wann sie sich einzufinden hatten, statt dem Herdentrieb zu folgen.

Dienstag und Donnerstag waren die Ausflugstage. Alles musste schon lange vor Lagerbeginn angemeldet werden und hier zeigte die gute Planung und Vorbereitung durch die Engländer Wirkung. Zur Auswahl standen Besuche in Windsor, Winchester, London, Portsmouth, Stonehenge, einem tropischen Regenwald und natürlich Brownsea Island, der Insel, auf der die Pfadfindermethode von Robert Baden-Powell in einem einwöchigen Zeltlager mit 21 Teilnehmern vor 111 Jahren erprobt wurde. Alternativ konnte auch an Tageswanderungen über 40 km (Rover Hike), 23 km (White Horse Hike) bzw. über 16 km (Castle Hike) teilgenommen werden.

Am Freitag hieß es „International Day“. Jede Gruppe konnte sich und ihre Heimat präsentieren. Dies geschah durch das Anbieten kulinarischer Spezialitäten, Aufstellen von Schauplakaten, teilweise in Verbindung mit Geschicklichkeits- oder Ratespielen oder dem Tragen typischer Trachten aus der Region. Am Abend fand schon die Abschlusszeremonie statt. Aus dem Lagerfeuer dieser Zeremonie wurden wiederum die Holzkohlereste für das nächste Eurocamp gewonnen.

Am Samstag war der große Abreisetag. Die wenigen Gruppen, die wie wir ihren Aufenthalt noch ein paar Tage verlängerten, zogen mit den Zelten näher an die Dining Hall heran, da am Sonntag bereits die ersten Aufbauten für ein bevorstehendes Rockkonzert geliefert wurden. Wir unternahmen derweil noch weitere Ausflüge. Am letzten Tag hatten sich die Jungpfadfinder zu einem Besuch nach Südwesten (Winchester) aufgemacht. Die Pfadfinder fuhren mit zwei Autos Richtung Norden, als kurz vor Oxford, unmittelbar vor einer Ausfahrt, plötzlich eine blaugraue Wolke hinter dem VW Bus aufstieg. Zum Glück war hinter der Ausfahrt auch gleich eine Haltebucht. Also Motor aus, Jugendliche in zwei Fuhren zurück zum Zeltplatz gebracht und auf den englischen ADAC gewartet. Nach drei Stunden kam der Abschleppwagen und von Jay kam der Tipp zu einer Werkstatt, wie es sie heute immer seltener gibt. Der Fahrer des Abschleppwagens kannte die Werkstatt und das war auch gut so. Denn die Werkstatt hätten wir mit unserer Karte im Maßstab 1:200.000 im Leben nicht gefunden, ein Navi für Großbritannien hatten wir nämlich nicht dabei – Pfadfinder halt.

Die Rückfahrt ging in umgekehrter Reihenfolge von statten: Zuerst die Flieger nach Heathrow, dann zurück nach Newbury und mitsamt der Anhänger auf nach Dover. Wir hatten die Fähre um 18 Uhr nach Calais gebucht und waren aber schon um 14 Uhr in Dover eingetroffen. Der Mitarbeiter am Schalterhäuschen ließ uns ohne Zahlung eines Aufpreises auf die Fähre und es begannen die Rechnereien über die neue Ankunftszeit. Leider haben wir die eingesparte Zeit bei Dunkelheit in den Niederlanden durch einen Umweg von gut 60 km wieder teilweise vertrödelt und so kamen wir gegen 6 Uhr morgens, wie es eigentlich auch geplant war, auf dem Pfadfinderplatz in Summt an.

Henry Seelig